Publikumsbeschimpfungen

Wenn man, wie Eva Pelzfuß, stets hin- und hergerissen ist zwischen den Dingen, kommt man im Leben nicht zu sonderlich viel.

„Man hat immer eine Wahl“, hatte es in ihrer Familie geheißen. So springt sie morgens aus dem Bett und bereits auf dem Weg zur Toilette lauert ihr wählbares Zeug auf. Zähe Schatten in unterschiedlichem Grau umschleichen sie, flüstern, raunen, zischen:

Trink erst mal einen Kaffee! Nein, mach Gymnastik! Leg dich wieder hin! Du könntest eine Runde spazieren gehen. Als erstes eine kalte Dusche, damit du wach wirst. Oder lieber eine heiße Dusche. Kauf dir ein Pony. Oder besser einen Hund. Doch nicht vor dem Frühstück. Nein, kein Frühstück, du bist eh zu dick. Schreib ein Buch! Nein, schreib kein Buch, pflanze stattdessen einen Baum!

Eva Pelzfuß sitzt auf dem Klo und versucht, mit einer herrischen Geste die Schatten zum Schweigen zu bringen, doch sie bringt nur ein zaghaftes Winken zustande, das die Schatten zu weiteren Vorschlägen anstachelt.

Entspanne dich! Zieh ein Kleid an! Iss einen Apfel! Geh wieder zu Bett!

Eva Pelzfuß lebt ihr Leben umringt von schnatternden Möglichkeiten. Hin und wieder greift sie nach einer, doch sie ist zu müde, um sie festzuhalten, also hangelt sie sich vorsichtig an ihren Routinen entlang durch die Tage.

An der Bushaltestelle steht ein Mann auf der Wartebank und schleudert den Umstehenden lauthals Geifer und Beleidigungen entgegen.

„Wenn ich ein Publikum hätte, könnte ich das auch machen“, denkt Eva Pelzfuß und steckt ihre Nase in ein Taschentuch.

Oder du weinst eine Träne. Zieh in den Krieg! Verschenke Geld, das du nicht hast! Europa!