Vorsätze

Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen, mir einen Mantel aus Efeu wachsen zu lassen, wie der Baum vor meinem Fenster einen trägt. Seit ein paar Tagen stehe ich regungslos neben dem Baum und es schlängeln sich bereits einige zarte Ranken um meine Knöchel. Die Krähen umflattern mich und rufen mir zu:
„Warum denn kein Mantel aus wildem Wein? Das ist extravagant und im Herbst würdest du in kräftigem Rot erstrahlen.“
Aber die Weinranken dröhnen im Sommer vom Summen der Bienen und Wespen, da kann mir die ganze Extravaganz gestohlen bleiben. Außerdem steht mir Grün besser. So ein Efeumantel ist praktisch und günstig und er wird mich vor den scharfen Blicken der Menschen ebenso schützen, wie vor Wind und Wetter.
Nachdem die Nachbarin die ersten Tage kopfschüttelnd und wortlos an mir vorüberging, fragte sie mich am vierten Januar, ob ich nicht meine Wohnung untervermieten möchte. Schließlich müsse ich ja bis zur Fertigstellung des Kleidungsstücks im Hof stehen bleiben. Ich hätte abgewinkt, doch wollte ich das Wachstum der Pflanze nicht durch unnötige Bewegungen stören, also verneinte ich nur leise. Es kann ja immerhin sein, dass meinem Plan, wie allen anderen zuvor, Anfang März die Puste ausgeht und dann muss ich doch irgendwo unterkommen. Man kann ja nicht monatelang untätig im Hof herumstehen.
Sollte das geschehen, lege ich ein Hochbeet an, wo ich den guten Vorsatz zur ewigen Ruhe betten werde. Das habe ich mir fest vorgenommen.