Menschliches, allzu Menschliches

Betrachtet man vergangene Jahre mit ausreichendem Abstand, wirken sie harmlos, geradezu heiter. Sicher, über manches in der Vergangenheit mag man sich wundern, womöglich ärgern; vieles betrachtet man mit dem Unwillen eines Mannes, der morgens nicht aus dem Bett will, aber sich durch Aufgaben, wie beispielsweise dem Dienst an der Allgemeinheit, dazu gezwungen sieht.

Eines schönen Tages, ich war noch nicht ganz dem Grundschulalter entwachsen, bekam ich Besuch von einem Käuzchen. Nicht, dass ich damals hätte mit Bestimmtheit sagen können, dass es sich bei meinem gefiederten Besucher um ein Käuzchen handelte; Vogelkunde oder Typologisierung der Umwelt waren mir fremd. Sagen wir, ich hatte eine Ahnung, dass es ein Käuzchen sein könnte.

Ich öffnete das Kinderzimmerfenster und streute Krümel eines Marmorkuchens auf das Fensterbrett. Das Käuzchen nahm es erfreut zur Kenntnis und pickte rasch ein paar Krümel, bevor es ansetzte, sein Wort an mich zu richten. „Im Leben geht es um harmonische Verlagerungen – widme dich der Wiederherstellung des karmischen Gleichgewichts! Nimm die Taten deiner Vorfahren als Richtschnur des Handelns!“, sagte es mit vollen Backen. Das Käuzchen plusterte sich auf. „Das Problem der Menschen besteht darin, dass sie stets eine Generation zu spät lernen und es meist nicht lang dauert, bis sie das Gelernte wieder vergessen.“

Dem hätte ich nicht einmal widersprechen mögen, wenn ich anderer Meinung gewesen wäre. Ich nickte und schloss das Fenster. Das Käuzchen pickte noch die letzten Krümel vom Fensterbrett, bevor es sich wieder auf seinen Weg machte.

„Erinnerungen! Holt euch gut abgehangene Erinnerungen! Holt Sie euch, bevor sie umkippen und ranzig werden!“