Opas Suche nach Zuwendung

By

„Opa will private Fotos sehen. Zeigt Opa mal das Album!“ Und mit wütendem Bedauern fügt der rüstige Rentner hinzu: „Niemand lädt Opa zu privaten Partys ein.“ Wenn er sich einmal in Rage geredet hat, kennt Opa kein Halten; dann strömt es geradezu aus seinem Volksmund: „Es heißt immer ‚Opa du lebst wohl hinterm Mond’ oder ‚Opa, deine Hose riecht so komisch, Opa, geh weg!’ und das ist schade, denn ihr jungen Leute könntet von Opas Erfahrungen profitieren. Opa kennt Tricks und Kniffe.“ Widerwillen und Abscheu breiten sich um den Rentner aus; das Liebespaar schließt das Fotoalbum und verlässt eilig die…

Read More

An Tagen wie jenen oder Aequis aequus

By

Zu welchem Zeitpunkt musste Alexander Gauland (nicht verwandt) so herzlich lachen, dass ihm ein Knopf vom Hemd sprang? Es war der Augenblick, als der schwangeren Nachbarin ein Ziegelstein auf den Kopf fiel, der Stein zerbrach und sie sich erstaunt umsah, ohne jedoch die Ursache ihres plötzlichen Kopfschmerzes ausmachen zu können. Wenige Stunden zuvor hatte sie noch mahnend zu ihrem Ungeborenen gesagt, dass die Welt außerhalb des Körpers ein rauer und ungemütlicher Ort sei. Das Kind solle nur gut auf die Worte der Mutter hören – die wisse, wovon sie rede. Und das Baby hatte lächelnd gelauscht und, von der Mutter…

Read More

Der Betrachter

By

Gibt es eine Ausfahrt aus diesem Kreis, aus diesem Kreisverkehr, aus diesem Teufelskreis? Verlassen Sie ihn langsam, auf dass Sie nicht hinausgeschleudert werden. An sonnigen Tagen wie heute tragen Sie ruhig einen blickdurchlässigen Rock; so etwas kommt beim Betrachter gut an. Der Betrachter ist ein wohlriechender Mann in der zweiten Reihe. Und aus dieser zweiten Reihe traut er sich zu schauen, einfach zu schauen, wie das Leben der anderen vonstatten geht. Seine Zeit steht, steht, steht stets still – ob er nun will oder nicht, ist von außen kaum ersichtlich. Offenbar lebt der Betrachter in jedem von uns, denn oft…

Read More

Eine Partie Antipathie

By

Ich hasse sie. Sie hat mich immer schon gehasst. Am Anfang hat sie ganz freundlich getan und gesagt: „Frau Lenz, ich bin auf Ihrer Seite. Wenn Sie irgendwelche Fragen, Sorgen oder Probleme haben, kommen Sie einfach damit zu mir.“ Wahrscheinlich hat es sie gewurmt, dass ich nie Probleme hatte. Manchmal konnte ich nicht in die Kanzlei kommen, weil mich ihr Hass so abgestoßen hat. Ständig wollte Sie, dass ich Dinge mache, Sachen erledige, Aufgaben ausführe. Zum Glück habe ich einen verständnisvollen Hausarzt. Ja, es stimmt, ein wenig gruselig fand ich ihn bei meinem ersten Besuch schon. Er war viel kleiner…

Read More

Die Vergangenheit des Anderen

By

Ein quadratischer Mann steht mit hängenden Schultern vor einer Baustelle. Könnte ich sehen, was er sieht, denken, was er denkt, wüsste ich, dass er vor seinem inneren Auge am Strand vergangenen Chancen und Möglichkeiten nachtrauert. War da nicht diese junge Schönheit gewesen, die ihm, siebzehnjährig und voller Selbstzweifel, zugeblinzelt hatte? Verheißungsvoll zugeblinzelt hatte. Hätte er nicht die Gelegenheit beim dunklen Schopf ergreifen sollen, ja müssen? „Haben Sie auch beim Bau gearbeitet?“ frage ich, doch er verbessert mich sogleich: „Auf dem Bau. Oder auch am Bau. Aber niemals beim Bau. Der Bau ist doch kein Arbeitgeber.“ Nach einem Moment rückbesinnenden Schweigens…

Read More

Schnittstelle

By

Meine Frau, meine Frage, meine Haltung, meine Homepage, meine Hand. Deine Demut, deine Deutung, dein Gottproblem, dein Daniel. Und nun zu einem späteren, einem anderen, einem kleinen Raum: ein Topf. „Das neide ich dir – ein schönes Wochenende.“ Sagt wer? Bernhard und Emmerich und Felix. Und ich und Weltenbummler, mein Hund aus Kindertagen. Es war ein großer, ein freier Fall von Frühlingsfehler, ein Paar, ein bisschen überholt. Es ist schon merkwürdig, fast aller Ehren wert. Es geschehen Zeichen und ich wundere mich noch immer, WAS alles wohl passieren wird. Weltenbummler sieht mich aus großen Augen an und auf der Stelle…

Read More

Schultage

By

Als Junglehrer Bodo Sonnenschein eines Morgens mit missbilligendem Blick festgestellt hatte, dass der kleine Michael wieder einmal den Unterricht schwänzte, war Zorn in ihm gewachsen – Zorn auf die Dummheit der Menschen im Allgemeinen und auf die seiner Schüler im Besonderen – und dieser Zorn verlangte nach Raum und nach Luft zum Atmen. Herr Sonnenschein nestelte an Knöpfen, schlüpfte aus seinen Hosen und präsentierte der Klasse seinen knittrigen Unmut. Die Aufgabenstellung des Tages war ‚Maritimes Erleben‘, und der kleine Michael hatte behauptet, von diesem Thema begeistert zu sein. Bodo Sonnenschein hätte den Jungen heute gern glänzen lassen; er mochte den…

Read More

Girlsday

By

Da jaulte und bellte ein kleines Mädchen wie der sprichwörtliche getretene Hund hinter mir; dafür sollte es im Grunde von den Eltern bestraft werden, fanden die Eltern: Riemenschläge gegen das rosa Schnäuzchen. Flaschensammler sammelten Flaschen, Zitronenfalter flogen umher. „Ich bin eine ZitronenfalterIn. Mit großem I und großem Stolz.“ Jetzt war es an der Zeit, ein Wort der Entschuldigung zu finden. „Ich … äh … wusste gar nicht, dass Frauen, und noch dazu so attraktive junge Frauen“, fügte ich altherrenhaft augenzwinkernd hinzu, „das Handwerk des Zitronenfaltens in der heutigen Zeit noch als anstrebenswerten Tätigkeitsbereich wahrnehmen.“ „Patriarchaler Kackscheiß!“, rief die FalterIn und…

Read More

Die Seegullen

By

Eine eigens für diese Zwecke abgerichtete Meerkatze erzählt eines windstillen Abends dem Schiffsarzt Callico folgende Geschichte: „Seegullen flogen an der Strandpromenade über die Touristen hinweg, praktisch unbemerkt. Einzig Callico, der Aufmerksame, erfreute sich an der Waghalsigkeit, am Wagemut ihrer Flugmanöver. Die Seegullen hatten sich zu dritt ein Kleinkind geschnappt und stritten um die Beute. Voll innerer Verwegenheit wog Callico Für und Wider einer Rettung ab. Seit den frühen Morgenstunden hatte er überlegt, was es dieser Tage braucht, um als der Held, der man ist, erkannt und anerkannt zu werden. Zuhause, hatte Callico, der Unschlüssige, befunden, war die Möglichkeit, Heldentum zu…

Read More

Zwischenmenschlich

By

Ich war entzückt, als ich sie wiedersah. Sie trug ihr Haar anders, sie hatte ihren Look geändert; sie war mitnichten die graue Maus, als die ich sie in Erinnerung behalten hatte – vielmehr wirkte sie wie eine Geschäftsfrau, der das Leben übel mitgespielt hatte, und die immer öfter Zuflucht und Trost im Alkohol suchte. „Mensch, wir haben uns ja ewig nicht gesehen“, platzte ich heraus. „Wie viele Jahre sind es gewesen? Zwölf? Fünfzehn?“ Obwohl ich mir aufgrund des Wesens und der Gestalt unserer Trennung sicher war, dass sie mich nicht vergessen haben konnte, wirkte sie überrascht, ja erstaunt, mich zu…

Read More