Seit einiger Zeit gehe ich regelmäßig zum Kunstarzt, um mir die Kreativitätsdrüsen ausdrücken zu lassen. Ich komme ja jetzt in die Jahre, in denen nicht mehr alles automatisch flutscht und bin ganz froh, dass ich nach langem Suchen endlich einen Facharzt, eine ausgewiesene Koryphäe, von einer befreundeten Illustratorin empfohlen bekommen habe.
Der Kunstarzt ist nicht auf eine Gattung spezialisiert. Das ist für mich von besonderem Vorteil, da ich beim Markieren meines seelisch-geistigen Reviers kaum mehr kontrollieren kann, ob ich ein Lied komponieren, ein Bild schaffen oder einen Text verfassen werde. Dem Doktor ist es einerlei; er behandelt Dichtende, Musizierende und Malende gleichermaßen. Nur vor Bildhauern fürchtet er sich, nach eigener Aussage. Wer will es ihm verübeln, sind die Skulpteure und Skulpteusen doch die Orthopäden unter den Künstlern: ein bisschen wild, ein bisschen plump und immer ein bisschen vorschnell.
Jüngst suchte ich ihn wieder auf; mir saß seit geraumer Zeit ein Theaterstück quer und wollte hinaus in die Welt.
„Kein Problem“, sagte der Kunstarzt und zog die Gummihandschuhe an, „das ist die leichteste Übung.“
Hoffnugsvoll drehte ich mich um, ließ Hose und Unterhose zu Boden gleiten und beugte mich vor.
Mein Unwohlsein, so stellte sich anschließend heraus, war gar kein Drama, sondern lediglich eine Prosaminiatur. Heute kann ich darüber lachen.