Die Fahrt

Ich durchschreite ein Meer aus Licht, ein Mehr an Wissen, durchwate Untiefen und warte auf Erleuchtung. Ich erwarte, dass ein Stern mir scheint, sich über mich ergießt. Dass alles, was stockt, fließt, dass jeder Nerv getroffen wird:

Im Abteil fläzt sich ein Soldat, seine langen Schaftstiefelbeine auf den Sitzen links und rechts von mir. Bevor ich ihn daran hindern kann, holt er seine Pfeife hervor – ölig schimmernde Schwaden. Er erzählt: „In einer Nacht, kaum heller als die heutige, kam ein Küster an seiner Kirche vorbei. Er hörte Stimmen, sah stimmungsvolles Kerzenlicht aus dem Inneren nach außen drängen. Er öffnete die schwere, doppelflügelige Tür und erschrak. Die Großmutter hockte vor dem Altar. ‚Die Sonne hat die Breite einer menschlichen Hand’, sagte sie und schnitt eine Grimasse. ‚Die Todesstrafe ist der Versuch, sich Hundekot mit Hundekot vom Schuh zu kratzen.’ Der Küster hielt sich am Holzkreuz der großgliedrigen Kette um seinen Hals fest. Die Großmutter erhob sich und blies die Kerzen aus.“

Die Uniform des Soldaten ist mit Blut besudelt. Er krempelt den Ärmel seiner Feldjacke hoch, die Haut des Unterarms fehlt. An ihrer Stelle wachsen dem jungen Mann Fetzen aus Blätterteig.

„Die Sonne ist jeden Morgen eine andere“, entgegne ich ihm und öffne das Zugfenster. Eine Laune fliegt zu uns ins Abteil, sie packt mich, dreht mich um und schlägt mit meiner Hand das Gesicht des Soldaten rosig. „Ein Esel zieht den Klee dem Golde vor. Die Wildsau den Trüffel. Ich bin mein Gewicht in Mehl wert und verliere beim Glücksspiel gerne mal zwei Kilo am Abend.“

Wir haben das Meer aus Licht hinter uns gelassen und durchfahren eine Durststrecke. Der Soldat bietet mir ein reich belegtes Wurstbrot an, ich lehne höflich ab. „Wer selbst das Tier nicht schießen kann, verwirkt sein Recht, es zu verspeisen.“

Er lacht und zeigt auf seinen Unterarm. Jedes Mal.