Ein Glühwürmchen

Die besten Jahre meines Lebens verbrachte ich wie ein Leuchtkäfer an einem Sommerabend: Unter einem malvenfarbenen Himmel, aus der Ferne spektakulär anzusehen, tanzte ich durch duftendes Strauchwerk zu aktuellen Hits. Leuchtkäfer, mag man nun einwenden, haben gar keine Ohren, sie sind folglich taub für jegliche Musik, sei sie nun aktuell oder von Vorgestern – ihr Tanz ist lediglich ein Produkt des Zufalls oder eine Laune der Natur. Doch mit solch trockenbröseligen Details habe ich mich niemals aufgehalten, dafür fehlt mir der Sinn. Nichts hat weniger Reiz als eine Tatsache.
Wie ich also meine Pirouetten drehte, entfernte ich mich weiter und weiter von der Welt, ohne es zu bemerken. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ich in diese missliche Lage geraten bin.
Neben mir steht eine große Kiste mit Hasenkötteln, die ich mit glitzerndem Lack bestreiche, nachdem ich mit einer Nadel ein Loch hindurchgestochen habe. In meinen Ohren knallt das Schmerzensgebrüll der Hasenköttel. Es dauert lange, bis sie schweigen, ich weiß nicht, ob sie sich in ihr Schicksal fügen oder sterben. Die bunten Perlen fädle ich auf Schnüre, ein Knötchen zwischen jede, damit sie später nicht am Hals der Damen klackern.
Später kommt der Händler, der mit einem eigens dafür zurechtgefeilten Fingernagel auf die Perlen klopft, um den Lack zu prüfen, und dann anerkennend mit der Zunge schnalzt.
„Das wird mega!“, ruft er mir zu, schultert den Sack mit den Perlenketten und verschwindet in der Dunkelheit.
Wenn die Kiste leer ist, werde ich meinen Lohn erhalten, aber ich finde sie jeden Morgen bis zum Rand gefüllt vor. Manchmal sehe ich mondäne Frauen an meinem schmutzigen Fenster vorübertanzen. Perlenketten glitzern an ihren Dekolletés im Sonnenlicht, doch die Musik dazu höre ich nicht. Nur die Schreie der Hasenköttel gellen in meinen Ohren.