Vorkommnis

„Kindereien“, sagte er, als ich ihn auf seine Probleme ansprach. „Nicht der Rede wert, wirklich.“

Ich bewunderte seine lässige Art, mit Angelegenheiten umzugehen, die einen anderen Mann sicherlich erdrückt hätten. Im Gegensatz zu beispielsweise mir ließ er sich niemals unterkriegen, er schien mit jedem Widerstand zu wachsen und konnte sich an allen Schwierigkeiten zu voller Größe aufrichten.

Was er an mir fand, verstehe ich bis heute nicht. Vielleicht war es das Brüchige, das mir zweite Natur geworden war und das ihm gänzlich fehlte. Vielleicht war es mein unaufdringliches Naturell, das ihm viel Raum zur Entfaltung ließ, ich weiß es nicht.

Uns verbanden fast drei Dutzend Jahre der Freundschaft, mal enger, mal loser, man kennt das ja, als ich ihn eines Morgens mit einem Küchenmesser in der Stirn vor meiner Haustür liegend fand. Ich entfernte vorsichtig die Klinge und versorgte die Wunde mit Kompressen aus Kräutertee und sanften Küssen.

„Kindereien“, wiederholte er. „Ich wollte doch nur durch den Briefschlitz des Nachbarn schauen, weil ich ihn schon drei Wochen nicht mehr gesehen hatte. Und da öffnet er die Tür und rammt mir das blöde Messer in den Kopf. Ich hätte kein Recht, am Sonntagmorgen um zehn nach fünf an seiner Tür herumzufummeln.“

Ich wog das Messer in der Hand und nahm mir vor, es einrahmen zu lassen und es meiner Sammlung seltener Gegenstände hinzufügen.

„Mach nur!“, ermunterte er mich müde, bevor er die Augen schloss und letztendlich in meinen Armen verstarb.