Das Blutgerüst

Ein anderer Tag, eine andere Baustelle. Die Bischöfin balanciert kleinfüßig auf dem Schafott: „Ich habe keine Sinne“, sagt sie. „Körper, Formen, Gestalt und Größe, meine Bewegung im Raum nur Illusion. Ich schaffe diese Dinge aus mir selbst, jedoch nie frei vom selbstmörderischen Zweifel an den Tagesabläufen.“

Ein Esel bleibt an ihrem Gerüst stehen, blickt zu der Bischöfin auf und sie fährt fort: „Das ist die Rache. Die Rache der Profanen an den Verfeinerten. Lasst sie Türme bauen, lasst sie auf Sand bauen, lasst ihre Türme in den Himmel ragen!“ Der Esel levitiert, denn er weiß es nicht besser. Kein Tag vergeht, ohne dass er dieses Vibrieren, dieses unbeherrschbare Summen in sich spürt. Jetzt, da er sich ihm hingibt, verlässt ihn die Erdenschwere für einen Moment und alle Mühsal fällt von ihm ab.

Doch selten ein Genuss, der nicht durch Anstrengung erkauft ist. So beschweren ihn die letzten Worte der Bischöfin und bringen ihn wieder auf die Erde zurück: „Mammon ist ihr Götze und sie beten ihn nicht nur mit den Lippen an, sondern mit allen Kräften ihrer Körper und ihres Gemüts.“

Schon fühlt der Esel unter jedem der vier Hufe den Planeten wieder und als die Bischöfin auf seinem Rücken ihren Platz findet, hört er sie murmeln: „Denn mir ist die Wahrheit heilig, und das Heilige fordert von mir blinde Verehrung, Unterwerfung und Aufopferung. Der letzte Grund jeder Handlung sei immer die Liebe.“ Dem vermag der Esel nicht zu widersprechen und bald geht die Sonne hinter dem Schafott unter, als die beiden in die Nacht reiten und doch keinen Schritt vorankommen.