Über dem großen Teich

Gerhard Pelzfuß liegt bäuchlings auf dem Steg und späht durch den Spalt zwischen zwei Brettern in den großen Teich hinab. Unten tummeln sich Goldfische. Er betrachtet einen kleinen dunkelroten mit zerzausten Flossen und vielen Flecken, der sich direkt unter ihm hinter einer Wasserpflanze versteckt.

Heute wäre sein Vater achtundsiebzig Jahre alt geworden. Manchmal versucht Gerhard Pelzfuß, ihn sich als alten Mann vorzustellen, aber das gelingt ihm nicht. Gerhards Vater war ein katholischer Buddhist gewesen, der nicht an Gott glaubte. Sein Geist war groß, deshalb waren solche Widersprüche kein Problem für ihn – nicht dass er keine Probleme gehabt hätte. Im Gegenteil. Je älter er wurde, um so mehr haderte er mit der Lohnarbeit. Wäre die Mutter nicht so ein Arbeitstier, hätten sie wohl früher oder später ohne Obdach dagestanden, wie weiland Josef und Maria, nur halt ohne Jesuskind, denn Gerhard Pelzfuß war ja schon ausgewachsen. Vater Pelzfußens Leber war eingeschnappt, wegen einer Gelbsucht in jungen Jahren und seiner ausdauernden Trunksucht. Es vergeht kein Tag, an dem Gerhard nicht zu diesem oder jenem seine Gedanken wissen möchte. Dann stampft er wütend mit dem Fuß auf, dass die Bretter des Stegs nur so dröhnen. So ungerecht ist das Leben. Andererseits freut er sich über Dinge ohne Zahl, die sein Vater nicht mehr erleben muss. Künstliche Kinder, denen die Bosheit die Ohren hat riesig werden lassen, oder Ungeheuer mit Gesichtern aus geföhntem Fensterleder, die Schauermärchen erzählen, damit die Leute denken, sie fürchten sich in Wahrheit vor etwas anderem.

Die Dunkelheit kriecht über den Steg und der rote Fisch verschwindet im langsam schwärzer werdenden Wasser des Teichs. Gerhard Pelzfuß wirft eine Goldfischdelikatesse durch den Spalt und wartet auf das leise Schnappen des Fischmundes. Dann erhebt er sich und verschwindet auf leisen Sohlen in der Nacht.