Südfrüchte

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Ein Springbrunnen – ohne Schmuck und Zierart, 16 schmale Fontänen, die das Wasser neun Meter in die Höhe spritzen – erinnert mich daran, dass in den Zeiten der Krise und der Zerstörung keine Kunst entstehen kann; sie wird nicht wahrgenommen. Kunst entsteht in den Zeiten der Fülle, der Sattheit. Eine Frau wühlt in ihren Taschen, eine Minute, eine zweite, eine fünfte, eine zehnte. Sie sortiert und kramt und blickt nur auf, um sich der Präsenz des Brunnens zu vergewissern, nur einen flüchtigen, richtigen Moment lang. Jetzt ist die Katze im Sack: nichts gilt mehr. Haubentaucher tauchen unter, viel zu sehen…

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Begegnung

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A: Sagen Sie, kennen wir uns nicht? B: Nicht, dass ich wüsste. A: Sie kommen mir so bekannt vor. B: Ich bin ein anderer Fettwanst – Sie verwechseln mich. A: Ich könnte schwören … B: Tun Sie es lieber nicht! A: Die Ähnlichkeit ist dennoch verblüffend. B: Für die Schlanken sehen wir Dicken doch alle gleich aus. A: Das können Sie jetzt aber so nicht sagen. B: Doch, doch, das stimmt schon. Ich weiß, was Sie sehen: Schwabbel, fettiger Teint, kleine Augen im speckigen Gesicht, Cellulite auf der Stirn. Ich sehe es doch, mein Anblick widert Sie an. A: Sie…

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Die 15 und der Bischof

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Die 15 zog an einer Leine, die ihr der Bischof in die Hand gedrückt hatte und ein Fußball stürzte von der Glasdachkonstruktion eines Hochhauses auf die Erde. Die 15 schaute zum Bischof. „Was sollen denn diese Albernheiten?” Der Bischof hielt sich den Bauch, ließ sein Herrenlachen erklingen, und sagte: „Wenn das der Heilige Franz wüsste, der würde fluchen. Der würde schimpfen.” Die 15 ließ die Leine aus der Hand gleiten und nahm ein Stück Schinken aus ihrem Jutebeutel. Die 15 fettete sich die Hände ein, sie glänzten speckig im Junisonnenlicht. „Pauschal würde ich meine Taten nicht verurteilt wissen wollen. Nichts…

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Maledictus II: Der Förster

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Genug Zeit ist jetzt vergangen. Fiktives strömt einem aus dem Mund, wenn man nur abwartet, den Kopf schief legt und die Lippen spitzt: Der Tag neigt sich seinem Ende entgegen; bestimmt wird gerade an einem anderen Ort die Ernte eingefahren; ein Landwirt grüßt auf dem Trecker gewiss den Förster, den er zwar nicht leiden kann, und den er diffus fürchtet, der aber immerhin mit ihm zur Schule gegangen ist (oder wie man damals sagte ‚der mit ihm zusammen die Schulbank drückte‘), der dann in die Stadt zog, um Forstwirtschaft zu studieren. Der Landwirt war Landwirt geworden, weil sein Vater schon…

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Am Rande eines Krisengesprächs

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Sebastian Waligora, MdB: Wer spricht denn hier von einem Schritt in die richtige Richtung, wer spricht denn hier überhaupt von einem Schritt? Ekelhard, ein Subalterner: Nun, ich nicht. Ich nicht. Mich würdest Du auch dann nicht hören, wenn ich gefoltert würde. Sebastian Waligora, MdB: Dann ist ja gut. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Man weiß nie, wann man die Grenze des Noch-Erlaubten überschreitet. Ekelhard, ein Subalterner: Mich würde man nicht hören, wenn man mir Zigaretten auf der nackten Brust ausdrücken würde. Sebastian Waligora, MdB: Schon gut. Ich habe verstanden. Ekelhard, ein Subalterner: Kein Wort, kein Ton käme über meine…

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Die wenigen Regelmäßigkeiten des Lebens

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Gerade noch gutgegangen. Die Kurve gerade noch gekriegt. An Spaniens Küsten blühen längst vergangene Pflanzen – Naturschwamm ist kein schöner Anblick, sagt man wohl und bleibt mit dieser Aussage auf der sicheren Seite der Anonymität. Ich trage eine Maske, im Spiegel trotzdem ein Augenblick des Wiedererkennens. Die Erinnerung der Alten sind die Taten ihres Zenits, tuschelten die Teilnehmer einer Jagdgesellschaft, zu der mich einst USURA höchstpersönlich eingeladen hatte. Wir standen an einem offenen Massengrab und zählten Oberschenkelknochen. Ich musste mehrmals ansetzen, da die anderen Jäger immer auf niedrigere Zahlen kamen als ich. Verzweifelter Zorn wuchs in mir, als ich bemerkte,…

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Der Luftzug und der Satz

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Einen Satz brauchte ich, ungefähr so groß, dass er bequem in meine Tasche passt, dass er, gegeben den Fall, ich würde ihn ganz klein schreiben, sogar auf einen Stecknadelkopf gekritzelt werden könnte. Die Stecknadel hätte Platz in einem meiner Ärmel, und bräuchte ich den Satz dringend, könnte ich ihn lesen. Bloß, wo sollte ich einen solchen Satz finden? Ich ging durch meine Wohnung und ein kalter Luftzug folgte mir. Wohin ich auch kam, er war schon da, oder überholte mich gerade, als ich die Türen öffnen wollte. Im letzten Zimmer angekommen, drehte ich mich blitzschnell um und stellte ihn zu…

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Geologie und Gotterfahrung

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Eine Gruppe Geologen steht in der Wüste und hat sich verirrt. Kommt ein Mystiker vorbei und fragt, ob er helfen könne. „Wir haben uns verirrt”, sagen die Geologen, „wo ist der Weg aus dieser Wüste heraus?” Der Mystiker schaut sie lange an und sagt dann: „Folgt der Wolke des Tages – und der Feuersäule nachts.” Dann lacht er, verschluckt sich, hustet feucht und geht. Zwei der Geologen werden wahnsinnig und schlagen einander tot. Ein Dritter wird schwermütig und hadert mit der Wissenschaft; der Vierte mit dem Mystiker. Keiner ist zufrieden, niemand glücklich. Da kommt der Mystiker zurück, er hat eine…

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Exklusio

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„Eine Erdbeere wollte Fußballspielen …“ Ich wünschte, ich könnte sagen, dass meine gekrönte Zuhörerin gebannt meinen Worten lauschte, aber dem war nicht so: Sie zappelte und hampelte auf ihrem Stuhl, stand auf, ging um den Stuhl herum, schob umständlich das karierte Sitzkissen zurecht, setzte sich wieder, um weiter zu hampeln und zu zappeln. Dessen ungeachtet versuchte ich meine Geschichte fortzuführen: „Eine Erdbeere wollte also Fußballspielen …“ „Aber eine Erdbeere hat doch gar keine Beine!“ Empört schaute sie mich an, stand wieder von ihrem Stuhl auf und schlug mir mit einem zusammengerollten Sachkundeschnellhefter ins Gesicht. „Du sollst Geschichten erzählen, die wahr…

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In bester Gesellschaft

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Die Bürger stehen und reiben sich die Augen. Die Finsterfischer, ihre natürlichen Todfeinde, schmarotzen der Bürger reiche Einfalt und spenden süße Furcht als Zeitvertreib in Form von Schmeichelreden. „Hört, ihr Menschen,“ hört man sie sagen, „wer stets auf Flaum geschlafen, der ist auf Steinen bös‘ gebettet.“ Das Bild der Finsterfischer stets verschwommen: Ein Motto hier, ein Sinnspruch dort, an vielen Stellen sattes Schweigen. Und immer wieder wird den Bürgern eingeflüstert, dass ihre Bürde eigentlich Symbiose sei.

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