Tagebucheintrag 3.September

Mein Vater, so erzählte es Mutter gerne, war ein rollender Stein. Wo immer er seinen Hut ablegte, fühlte er sich zu Hause. Ich kann mich nur noch bruchstückhaft an ihn erinnern, an einen untersetzten Mann, dessen genetisches Erbe ich zu meinem Leidwesen in mir trage: kurze Beine, schlechte Augen und einen bestenfalls als wackelig zu bezeichnenden Urogenitaltrakt.

Wenn er dann und wann seinen Hut in unser bescheidenes Heim legte, war meine Mutter eine verwandelte Frau, im Alltag eher weinerlich reserviert, blühte sie während seiner Besuche auf und wurde von einer mir unbekannten Heiterkeit besessen, die manische Züge annehmen konnte.

Wir Kinder wurden immer wieder von ihr hochgenommen, geherzt, geküsst; meiner kleinen Schwester wurde das regelmäßig zu viel und sie begann zu weinen. Der Vater beachtete uns Kinder nur am Rande seiner Aufmerksamkeit. Die galt hauptsächlich den üppigen Formen unserer Mutter, und obwohl sie, egal wie es um die finanzielle Lage der Familie stand, es für unabdingbar erachtete, ihn mit sieben verschiedenen Sorten Fleisch zu bewirten, kann ich mich nicht erinnern, ihn jemals etwas anderes als ihren Arm anknabbern gesehen zu haben.

Die Reste bekamen nicht wir Kinder, sondern wurden von unserer Mutter als Paket verpackt und meinem Vater als Wegzehrung mitgegeben, wenn er uns am nächsten Morgen wieder verließ.

Irgendwann starb der Vater und er hinterließ uns nichts. Wir waren allein und blieben es auch.