Ein Mann wie Moritz Schmandt

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(…) und dann, nachdem aufgeregt in der Öffentlichkeit gerülpst worden war, begannen die Luftangriffe auf Serbien. Auf dass Milosevic, der Serbe, sterbe. But don’t call it Schnitzel! Wir nannten Schnitzel niemals Schnitzel, auch nicht in Afghanistan, wo wir Tanklastwagen in heiße Luft aufgehen ließen oder in Mali, als wir für Frankreich, die große Nation, geraubte Bodenschätze in Obhut nahmen. Niemals Schnitzel. Schnitzel war etwas für Großväter auf vergangener Europa-Tournee oder in Nordafrika im Wüstenwind von el-Alamein. Fairtrade verdreht ist Handel bizarr und umgekehrt: In den späten Jahren der Herrschaft der Immer-Reicheren hatten wir uns angewöhnt, Routen auf See mit Kanonendonner…

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Frauen gehören nicht in die Restmülltonne

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Ich habe schon seit einiger Zeit eine Idee – eine Idee, mit der ich mich ein wenig herumquäle. Eine Frau wird von einem meiner Nachbarn in einem Koffer durch das Treppenhaus getragen. Das Problem ist, ich weiß nicht, was mit der Frau ist, warum sie in diesem Koffer steckt, woher ich wissen könnte, dass sie sich überhaupt in dem Koffer befindet. Wahrscheinlich zeichnet sich ihr Körper durch die dünne Kofferaußenhaut ab. Hoffentlich ist ihr nichts Schlimmes zugestoßen, obwohl, wenn man bedenkt, dass sie vom unsympathischsten Nachbarn morgens um halb drei durch unser Treppenhaus getragen wird, ist anzunehmen, dass ihr zumindest…

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Der Eimer

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„Aus welchem Grund sollte ein Mensch etwas anderes sagen, als er meint?“, sagte Margret zu ihrem Eimer, der wie immer in der Ecke stand und hoffte, einfach in Ruhe gelassen zu werden. Doch seine Besitzerin, eine dralle Frau in der vermeintlichen Mitte ihres Lebens stehend, geriet immer mehr in Fahrt. „Um witzig zu sein? Um zu wirken, als hätte man alles im Griff? Er nennt es Ironie – ich nenne das schlichtweg Lügen.“ Margret raufte sich das Haar, bis es wie ein ausgebleichter Strohhaufen in alle Richtungen abstand. Der Eimer wusste, was jetzt folgen würde, was immer folgte, wenn die…

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Libertatem sanguinis

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Sobald ich hier raus bin, werde ich zur Blutbank gehen und mein Konto plündern. Ich werde den Kassierer anweisen, mir alles, was da ist, auszuzahlen und das Blut in die mitgebrachten Plastiktüten zu schütten. Sollte er zaudern oder gar Einwände erheben, werde ich ihn mit dem Zeigefinger auf den Lippen zum Schweigen bringen. „Shhhhh, hören Sie, mein Bester“, werde ich sagen. „Das ist mein Eigen, ich erwarb es und besitze es, doch seine böse Macht forderte ich nie heraus. Zicken Sie hier mal nicht rum! Wir wollen doch kein Blut vergießen.“ Sollte er fragen, was ich denn mit ganzen Blut…

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Jahreswechsel

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Es ist die letzte Nacht des Jahres, der kleine Silvester und seine Schwester gehen durch die Straßen und betrachten von außen die Fenster. Wie schön, sagt die Schwester, wie still und friedlich, wie anheimelnd alles wirkt. Der Schein trügt, das Bild täuscht, der Eindruck lügt. Wenn man ganz still bleibt, und die beiden bleiben ganz still, hört man die Menschen husten. In der einen Wohnung isst Familie Kummer ein spätes Mahl, in der nächsten lebt der alte Kapitän Seebär mit seiner jugendlichen Geliebten, gleich daneben das keusche Fräulein Pilzhut und ihr Hund Jutta in einer Zweckgemeinschaft. Sie muss in Heimarbeit…

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Aus den Kindheitserinnerungen

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Zum elften Geburtstag bekam ich von meinen Eltern eine Fotoausrüstung geschenkt. Das war aber nicht irgendeine Fotoausrüstung, sondern eine Mikrokamera für Detektive. Ich beschloss, die Kamera in der Kloschüssel zu installieren und schoss ein paar Probeaufnahmen meines Hinterns. Ungefähr eine Woche später klopfte ich bei meiner Schwester Inge. Sie ist neun Jahre älter als ich. Ich sagte, ich hätte ein Gedicht für sie geschrieben und Inge bat mich hereinzukommen und es vorzulesen. Sie stellte ihren Plattenspieler leise und ich begann: Ich liebe dich, doch könnte ich wählen, ich wäre lieber ich: Ich sehe, wie dich die Hämorrhoiden quälen; ich sehe…

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Das Erbe der großen Wirklichkeit

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Der letzte Mensch auf Erden ruft dem Baum vor seinem Fenster Unflätigkeiten zu, Schmelz in der Stimme und Spelze zwischen Zahnfleisch und Schneidezahn. Der Widerhall kommt postwendend: „Willst du einen Job, eine sinnvolle Betätigung, dann stelle dich in die Mitte deines Wohnzimmers, beuge dich vor und warte darauf, was passiert!“ Da realisiert der letzte Mensch auf Erden, dass auch die heimische Flora nicht alle Antworten kennt, eine Erkenntnis, die ihn zum Zahnstocher greifen lässt, jetzt, da alles auf ein rasches Ende hindeutet. Wie bekomme ich meine Zähne wirklich sauber, so kurz vor Schluss? Und Erinnerung an Emily, die noch einmal…

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Am Lagerfeuer – eine Herbstgeschichte

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Woody Allen, Uri Geller, Uriella oder irgendein anderer Spitzbold, Scharlatan und Aushilfsheiratsschwindler wollte Stockbrot essen, diesen faden Haufen Teig, um Holz geklatscht. Uri Geller ließ uns die Löffel in den Händen schmelzen und rief: „Seht den Habicht über unseren Köpfen kreisen. Wollt ihr so sein wie er, wie ich? Ich bin der Habicht und ihr? Ihr nicht.“ Woody Allen schaute betroffen, uns standen die Münder offen, die Löffel waren unbrauchbar. Uriella blinzelte verschwörerisch und blickte jedem einzelnen von uns auf die von Raureif geröteten Nasen. „Es werde Licht!“, rief sie und wir, die wir um die Feuerstelle kauerten und knieten,…

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Exclamatio

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An der ersten Tür gebe ich die Jacke ab, an der zweiten ziehe ich meine Schuhe aus. Im Gebäude sind weder Gürtel noch Schnürsenkel erlaubt. Die Verordnung als Motto an der Wand: Tragen Sie bei zu unser aller Sicherheit! Überraschen Sie uns, überraschen Sie sich, leisten sie keinen Widerstand, leisten Sie sich stattdessen den Luxus hingebungsvoller Unterwerfung! Und lang ist mir die Luft ganz still geblieben, ich musst es wohl – wie alle anderen auch – ertragen. Warum haben Sie so lange nicht geschrieben? Ich hatte nichts zu sagen. Im Gang, auf einem unbequemen Stuhl, sitze ich vor der verschlossenen…

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Anders nach Nirgendwo

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„Vorerst letzte Fahrt: Alles einsteigen, zurückbleiben bitte!“ hallt die Stimme elektrisch verstärkt über den Bahnsteig. „Wer jetzt keinen Zug hat, bekommt keinen mehr und wird es schwer haben.“ Die Mitmenschen nehmen die Ankündigung gelassen hin. Entweder fühlen sie sich nicht angesprochen oder sie sind ob der täglichen Einschüchterungs- und Demotivationsversuche seitens der Mächtigen bereits so abgestumpft, dass sie erst bei Stockschlägen, Elektroschocks und anderen Formen körperlicher Züchtigung eine Reaktion zeigen würden. „Bitte haben Sie Verständnis! Wir bitten Sie um Verständnis! Um Ihr Verständnis!“ Passagier M361 kann kein Verständnis aufbringen, er schafft trotz großen Aufwands und einiger Mühe nicht, es zutage…

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