Zahlen

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Frieda Pelzfuß mag Zahlen. Zweihundertundacht zum Beispiel. Man kann sie mit Ziffern hinschreiben oder mit Buchstaben. Je nachdem wohnt eine unterschiedliche Logik in ihnen; oder, besser gesagt, die Logiken wohnen gemeinsam darin und schauen je nachdem zum Fenster heraus. An und für sich ist Frau Pelzfuß keine Freundin der Logik. Sie schätzt das Zwingende nicht. Wer wird schon gerne gezwungen? Manche, ja, die richten sich das so ein, dass sie den lieben langen Tag nicht überlegen müssen, was als nächstes zu tun ist, weil ein Zwang auf den anderen folgt. Das hat auch etwas für sich, erspart es einem doch…

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Altweibersommer

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Frieda Pelzfuß denkt nicht gern an ihre Schulzeit zurück. Gewiss, nicht alles war schlecht gewesen. Anderswo und anderswann hatte es Menschen schlimmer getroffen und es gab keine Landminen auf den Gängen. Mit etwas Sinn für Verhältnismäßigkeit hätte Frieda in zuckrigen Erinnerungen schwelgen können. Leider fiel ihr immer als erstes der schwitzende Kaplan ein, der einem in den Nacken atmete und ganz aufgeregt wurde, wenn er einem das Ohr verdrehte. Und die Direktorin, wie sie morgens am Treppenabsatz den Zuspätkommenden auflauerte. Wenn sie einen an den Haaren gepackt hielt und schüttelte, klingelten die vielen dünnen Goldreifen an ihrem Handgelenk wie Schlittenglöckchen…

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Behalten

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Ich drücke auf den Knopf. Durch die Gummierung des Türrahmens höre ich das gedämpfte Schnarren des Signaltons. Gleich wird jemand eintreten und das gemischte Gefühl von Müdigkeit und Aufregung hereinbringen, das durch langes Warten entsteht. Mir bleibt nur ein kurzer Augenblick, während die im Wartesaal stundenlang Zeit haben sich vorzubereiten. Wochenlang können die Leute sich mit ihren Formularen beschäftigen und eine Rede auswendig lernen. Ich habe nur einen Moment der Ruhe, dann muss ich bereit sein für was auch immer sie wollen. Schlechte Laune und Machtlosigkeit setzen sie mir vor und erwarten im Gegenzug, dass ich freundlich bin und voller…

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Alles wie immer

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„Seit Jesus kommt ja jeder in den Himmel“, beschwerte sich der alte Haudegen bei Lotte Pelzfuß, als er die Füße in den Zuber stellte. Kurz bevor sie im Dampf verschwanden, wackelte er mit den Zehen. Lotte Pelzfuß unterdrückte ein Würgen. Alles wie immer. „Jedes Mal, wenn es um lustige Ortsnamen geht, wird ‚Futbogen‘ erwähnt.“ Der Alte lachte und das Wasser im Bottich schwappte bis zum Rand. Lotte fragte sich, wie oft man wohl über lustige Ortsnamen sprechen musste, damit ein „jedes Mal“ angebracht war. Der Alte stubste sie mit dem Handrücken an die Hüfte, als wollte er sie wecken. „Futbogen“,…

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Frühstück mit Munch

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Das Meiste im Leben ist gemischt. Die Leute sagen, „Da fühlt man sich wie zu Hause“ und schon will man nicht hin. Heute morgen fand ich Edvard Munch in meiner Kaffeetasse. Erst habe ich mich gefreut, nicht mehr allein zu sein, aber er wurde gleich unangenehm. Er trug einen Stock, mit dem er überall gegen schlug, um zu prüfen, ob die Dinge Bestand hätten. Hatten sie natürlich nicht. Sie zerplatzten, wie Pusteblumen aus Angst oder liefen davon und ließen Empörung und Bedauern zurück. Einzig ein angefangener Alexandriner hielt stand und sang voller Trotz Spottverse aus meinen Kindertagen. Edvard Munch wurde…

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Eschaton

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In der Bahn nimmt Frieda Pelzfuß am liebsten den Platz am Ende des Waggons. Letzte Reihe in der Mitte. Die Sitzfläche ist etwas schmaler als die der Bänklein für zwei Personen, so dass man alleine viel Platz hat, aber nicht genug, um einen Sitznachbarn fürchten zu müssen. Frau Pelzfuß hat das Großraumabteil im Blick: Fahrscheinkontrolleure, herumalbernde Schüler, Mütter mit Kinderwagen, Sittenstrolche und Trunkenbolde. Sie bemerkt jeden. Ein junger Mann in einem Laborkittel steigt zu. Er führt einen großen, dicken Hund an einer Leine. Das Tier trägt einen Sprengstoffgürtel, das ist bei der Jugend der letzte Schrei. Der Hund legt sich…

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Ish-Ak

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Ich habe eine Prinzessin gekannt. Mit Augen, die glühten oder sprühten oder Funken stiebten, je nachdem, wie die Prinzessin es gerade wollte. Sie war außergewöhnlich dick und jedes Gramm ihres Gewichts in Gold und Juwelen wert. Wer immer in ihre Nähe kam, konnte nicht lange Trübsal blasen. In ihrem Garten lebte ein Pferd mit goldenem Fell und schwarzer Mähne. Eins seiner Augen war für die Welt verschlossen. Mit ihm betrachtete es aufmerksam das Universum, während es den Gesängen der Prinzessin lauschte. Eine Göttin fand gefallen an den beiden und wollte sie bei sich haben. So erschien sie eines Abends in…

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Abends bei Familie Pelzfuß

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Die Holzscheite knackten im Kamin und die Flammen warfen mit tanzenden Schatten um sich. Frau Pelzfuß erhob sich aus dem Lehnsessel und streckte sich. „Was hast du denn da für einen Leberfleck?“, fragte Hubert, ihr Mann, und ließ vor Schreck den Schürhaken fallen, mit dem er seit Minuten in der Glut gestochert hatte. Frau Pelzfuß legte die Finger an eine Stelle am Hals, knapp unter dem Ohr. „Ach, das ist nur eine Reflexion des Feuers“, wehrte sie lachend ab. „Nein!“, widersprach Hubert. „Das ist der Hautkrebs! Ich weiß, dass es der Hautkrebs ist.“ Er sprang auf und stürzte auf seine…

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Schiffbruch

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Ein junger Mann, ganz mager ist er. Wie auf dieser berühmten Photographie, die einige Häftlinge hinter Stacheldraht zeigt, nur dass sein Schädel nicht kahlgeschoren ist. Er trägt das Haar zu einer Welle geföhnt, die auf seiner Stirn sitzt. Ein Kapitell auf der Fontanell‘. Mit Nachdruck setzt er seine Tasse auf dem Kaffeehaustischchen ab und ruft: „Ich überlege, mir ein Containerschiff zu kaufen! Ich habe es satt, immer nur die Brosamen aufzupicken und in meinen Jackentaschen zu sammeln! Mein Leben ist eine Auffädelung von Perlen, die im Ozean der Belanglosigkeit gewachsen sind. Eine stete Wiederholung von sich niederlegen und wieder erheben,…

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Lesung am 2. Juli 2017

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Im Rahmen der Mainzer Minipressen-Messe 2017 liest Daniel Boente beim Lesemarathon auf der Empore 2 aus seinem aktuellen Roman „Der schreckliche Feuerbach“. Wo: Mainzer Minipressen-Messe Mainzer Rheingoldhalle Rheinstraße 66, 55116 Mainz Wann: Sonntag, 2. Juli 2017, 16:00 Uhr bis 16:30. Eintritt frei!

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