Kurzgeschichten

Lustig, lustig

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Mich juckt es in den Fingern. Das klingt an sich nicht schlimm. Als hätte ich große Lust, eine bestimmte Sache in Angriff zu nehmen und könne es kaum erwarten, müsse nur noch eben etwas anderes erledigen, das keinen Aufschub duldet. Tatsächlich plagt es mich den ganzen Tag und einen großen Teil der Nacht. Mein sehnlichster Wunsch ist eine dritte Hand mit Fingern, die nicht von dem Unheil befallen sind und die geplagten kratzen können. Aber die bekomme ich nicht. „Das zahlt die Kasse auf keinen Fall“, meint mein Hausarzt, ein dicker, älterer Herr mit weißem Bart, der in der Weihnachtszeit…

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Kaum-Ich und Nicht-Ich diskutieren die Lage

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  K-I: Hör mal, wie meine Kniescheibe knackt. N-I: Schlimm. K-I: Wenn Du ein Selbstmordattentäter wärst, welches Ziel würdest Du wählen? N-I: In Deutschland, meinst Du? K-I: Ja, in Deutschland – was wäre Dir einen Angriff wert? N-I: Also es wäre bestimmt irgendwas in Berlin. Woanders lohnt es sich ja nicht. K-I: Der Kölner Dom vielleicht. N-I: Würde mich nicht jucken. Das ist doch das Problem des Föderalismus, es lohnt nicht, irgendetwas zu zerstören. Allzu viele allgemeingültige Ziele gibt es nicht. Ich meine, wem würde es außerhalb von Münster schon auffallen, wenn eine Atombombe die Innenstadt verwüstete? K-I: Oder Osnabrück….

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Wiedersehen mit McMurphy

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„Das Problem mit euch Empathen ist ja nicht, dass ihr besonders viel fühlen würdet“, sagte McMurphy und spuckte in mein Weinglas. Ich betrachtete die gelblich-weißen Bläschen, die auf der Oberfläche des Weins langsame Kreise zogen. McMurphy räusperte sich und verschloss währenddessen mit Daumen und Zeigefinger beide Nasenlöcher. „Weißt du, was das Problem mit euch Empathen ist? Soll ich es dir sagen?“, fuhr er fort. Da er seine Finger nicht rechtzeitig von der Nase genommen hatte, klang seine Stimme bei den ersten beiden Wörtern albern und ich gluckste. McMurphy schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und die Spuckebläschen zitterten….

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Vorbeigeredet

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Erinnerst du dich noch an die Geschichte mit der Sprechstundenhilfe aus Puerto Rico? Ich weiß nicht. Das ist alles so lange her. Kam die nicht aus Costa Rica und war Zahntechnikerin? Ist ja auch egal. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass sie aus Puerto Rico war. Wie kann dir das egal sein? Schließlich ist am Ende Bratwurst-Rainer gestorben. Hieß der nicht Currywurst-Klemens? Das war doch der Typ, der seinen Hund aus der Umkleidekabine vom Freibad hatte. So ein Cocker-Spaniel war das. Toffy. Das arme Tier war dort angebunden und Currywurst-Klemens hat ihn gerettet. Und der ist tot? Das…

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Currywurst-Klemens

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Habe ich euch eigentlich von Currywurst-Klemens erzählt? Ihr fragt, warum der so hieß? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ob es mit seiner Vorliebe für Imbissessen zusammenhing, ein seiner Diät geschuldeter Spitzname? Könnte sein, ich weiß es wirklich nicht. Ich erinnere mich aber auch nicht, ihn jemals eine Wurst essen gesehen zu haben. Jetzt, wenn ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich ihn nie habe essen sehen. Es kursierten in unserem Kreis die seltsamsten Gerüchte und Anekdoten über Klemens, aber, soweit ich mich erinnere, hatten die nie im Geringsten mit Nahrungsmitteln zu tun: Da war die Geschichte mit dem…

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Der Aal

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„Bei allem Respekt, meine Damen und Herren, darf ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dass, auch wenn es uns manche anders glauben machen möchten, die ganze Angelegenheit lediglich auf Vermutungen beruht, die, wie wir sicherlich bald alle sehen werden, sich als Missverständnisse herausstellen, sobald alles rückhaltlos aufgeklärt ist, wofür ich, wie jeder, der mich kennt, weiß, ohne Kompromisse Sorge tragen werde, darauf können Sie sich, wie gewohnt, verlassen. Sollte es in der Sache zu Ungereimtheiten gekommen sein, werde ich, auch wenn manche das Gegenteil behaupten, nicht eher ruhen, bis ich herausgefunden habe, wer dafür die Verantwortung trägt, denn dafür muss…

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1. Person, immer Singular

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An einem anderen Tag setzte sich der, den ich als Ich kenne, über meinen ausdrücklichen Wunsch nach Veränderung hinweg und begann seinen Tag wie jeden Tag zuvor. „Augen auf und durch!“, war die Devise. Das Ich war Pharmareferent und Suppenkasper in Personalunion. Nicht aus Leidenschaft, beileibe nicht, doch aus Gewohnheit wie Sonnenauf-und Untergang. Doch ich greife vor, ich schweife ab und tadle mich beizeiten. Natürlich würde das Ich auch Kinder fressen, wenn es nicht verboten wäre. Es ist doch verboten, oder? Nicht, dass ich mich die ganzen Jahre zurückgehalten habe für nichts und wieder nichts. Das Ich liebt es ruhig…

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Die Wehklagerin

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„Kein Schwanz ist so hart wie das Leben“, pflegte meine Großmutter zu sagen, wenn Trost für uns Kinder vonnöten war. Ich glaubte ihr nicht, denn etwas Härteres als Onkel Manfreds Rute, die er mir nachts zwischen die Kiefer zwängte, konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen. Aber ich war ja noch jung und wusste nicht Bescheid. Trotz dieser unsanften Behandlung in zartem Alter, bin ich zeitlebens eine Mimose geblieben. Was andere Leute als lässliche Unannehmlichkeit abschütteln, wirft mich für Wochen nieder. Ich hüte meinen Schmerz wie einen Schatz. Ein überflüssiges Unterfangen, denn wer würde ihn mir schon nehmen wollen? Die…

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Aus den Ohren, aus dem Sinn

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Eigentlich liegt das Dröhnen des Lachens über meinen eigenen Witz sorgsam gefaltet und auch sonst schonend aufbewahrt in einer Kiste aus kaltem Metall. Doch heute schwirrt ein einzelnes Echo im Zimmer umher. Ich hasse Unordnung, denke ich und drehe mich unbehaglich auf meinem Bürostuhl herum. Das Echo ist derart leise, dass ich es kaum wahrnehme. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so leicht zu erschüttern bin, aber dieser blasse Ton lässt mich erschaudern. Zum Teufel mit den feinen Sinnen! Er erinnert mich schmerzhaft an vergangene Unflätigkeiten. Dinge, die zu ihrer Zeit durchaus nicht unangemessen schienen, die, von heute aus…

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Pechmarie

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Ich habe es satt, mein Gesicht jeden Tag im Spiegel älter und grauer werden zu sehen. Deshalb habe ich ihn heute zerschlagen. Das bringt sieben Jahre Pech, heißt es. Darauf freue ich mich. Denn das Glück habe ich ebenfalls satt. Ein launisches Ding, das ohnehin nie da ist, wenn man es nötig hätte. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich lieber sieben Jahre lang Bitumen. Das klingt gemütlicher, und auf Gemütlichkeit lege ich Wert. Aber ich will keine Ansprüche stellen. Ich bin gespannt, wer mir das Pech bringt. Womöglich gibt es einen extra Pechboten. Ob ich das ganze Pech…

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